Die Anfänge der Zollern in Franken

    Das zollerische Territorium ob dem Gebirg

    Die Erwerbspolitik der Zollern im Obermainland

    Im letzten Kapitel haben wir überblicksartig die Gebietserwerbungen der Zollern in den drei Kerngebieten um Abenberg-Cadolzburg, Neustadt-Windsheim und im Pegnitzraum betrachtet. Zu diesen drei Güterkomplexen hatte sich jedoch ab 1248/60 ein vierter gesellt: Friedrich III. hatte über seine meranische Frau Elisabeth die Herrschaft Bayreuth geerbt. Auch die meranischen Reichslehen zu Hof waren ihm 1249 von König Wilhelm zugesprochen worden. Schwammberger schätzt die Meranische Erbschaft als für die Entwick-lung des burggräflichen Territoriums von grundlegender Bedeutung ein. Mit Bayreuth bot sich Friedrich III. neben Cadolzburg, das immer mehr zum Mittelpunkt der bisherigen zollerischen Besitzungen geworden war, eine neue Keimzelle seiner Macht. Die meranischen Güter bildeten für den Burggrafen ein willkommenes Ausweichgebiet, nachdem einer Erweiterung des Cadolzburger und Neustadt-Windsheimer Kerns durch Bamberg, Würzburg, Eichstätt und Bayern enge Grenzen gesetzt waren. Allerdings mußte Friedrich III. beim Ausbau des Bayreuther Lands mit dem Widerstand Ottokars von Böhmen rechnen - Grund genug für einen besonders engen Schulterschluß mit dessen Gegner Rudolf von Habsburg. Lohn für seine Schlüsselrolle bei der 1273 erfolgten Königswahl des Habsburgers war der prompt ausgestellte Lehnsbrief über das Burggraftum, der sämtliche burggräflichen Güter einschließlich aller Neuerwerbungen bestätigte. Durch Sturz und Tod Ottokars im Jahr 1278 wich schließlich der Druck, der bis dahin auf dem Bayreuther Gebiet gelastet hatte; es folgte ein intensiver Ausbau, wobei die ersten wesentlichen Zugewinne Reichslehen waren: Kulm (1281/82), Eger und Wunsiedel (1285).

    Werfen wir nun einen Blick auf die Erwerbungen, die Friedrich III. seit 1281 im Bayreuther Kreis tätigt: 1281 Berg und Burg Kulm, Filchendorf, Hausen bei Kemnath, eine curia in Mockersdorf, die advocatia in Speichersdorf, Erbendorf
    1284 die sog. Leuchtenberger Mannlehen mit den Burgen Wernberg und Pleystein
    1285 Eger, Burg und div. Güter in Wunsiedel
    1289 Neudorf
    1290 Zwernitz, Weichendorf
    1291 Braunersgrün bei Thiersheim, Stemmas, Tiersheim, Oberroute, Bibersbach o.D. die Güter Falkenberg, Au, Schlackenreuth, Altdrossenfeld, Alten- und Neuenplos, Pfaffenreuth.

    Betrachtet man die Gesamtheit der Erwerbungen, die Friedrich III. getätigt hat, so fallen zum einen die bedeutenden Reichslehen auf, die der Zoller dem guten Einvernehmen mit der Krone verdankt, zum anderen sticht das verhältnismäßig schnelle Anwachsen des Bayreuther Kerns ins Auge. Obwohl mit dem Tod des Habsburgers im Jahr 1291 die Intensität der zollerischen Erwerbspolitik abnimmt , hat die burggräfliche Macht unter Friedrich III. eine bedeutende Erweiterung erfahren. Diese räumliche Vergrößerung ist das Resultat eines beharrlichen und zielstrebigen zollerischen Ausdehnungswillens, der sich bei Friedrich erstmals maßgeblich äußert und für die nachkommenden Generationen richtungsweisend sein wird: Die Vision des späteren Fürstentums Ansbach-Kulmbach muß schon Friedrich III. deutlich vor Augen gestanden haben.

    Auch bei Friedrich IV., der 1297 die Burggrafschaft übernimmt, ist die gleiche politische Zielsetzung wie bei seinem Vater zu erkennen: die Bildung eines möglichst geschlossenen zollerischen Territoriums in Franken. Dabei erweist sich wieder einmal das zollerische Axiom der engen Anlehnung an das Reichsoberhaupt als förderlich. Obwohl Friedrich bei der Unterstützung Ludwigs des Bayern bis an den Rand seiner Möglichkeiten geht - das Verhältnis zwischen beiden spiegelt sich am anschaulichsten in Form von Verpfändungen und Schuldverschreibungen, und noch 1333 beklagen Friedrichs Söhne Daz Der Edel herre Burgraf Friderich selige, unser lieber Vater, uns ... in grozen schulden gelazen hat" - erweisen sich diese Investitionen letztlich als gewinnbringend. So wird Friedrich mit Hof und dem Regnitzland belehnt, was für die obermainischen Besitzungen einen ganz enormen Zuwachs bedeutet. Ein Jahr später verleiht der König dem Burggrafen als eines der wichtigsten landesherrlichen Privilegien das Bergregal im gesamten Burggraftum. Der folgende Überblick über die Neuerwerbungen im Bayreuther Raum zeigt, wie erfolgreich Friedrich IV. auf territorialpolitischem Gebiet agierte:

    1304 Wolfsbergische Güter um Bayreuth
    1307 Thurnau
    1315 Ahoren bei Weißenstadt
    1318 Hof und das Regnitzland mit Oberkotzau, Konradsreuth, Gefell, Hirschberg an der Saale, Trössen, Mißlareuth, Regnitzlosau, Posseck, Schwarzenbach an der Saale, Selbitz, Berg, Eichigt, Steben, Naila, Zöbern, Wiedersberg, Sachsgrün, Blintendorf, Münchenreuth, Roßbach, Pilgramsreuth, Rehau,
    Leupoldsgrün, Marlesreuth, Sparnberg, Issigau, Ahornis
    1321 Wunsiedel, Gesees
    1324 die Erzwerke "zu dem Plessenberg"
    1328 Aufseß, Wüstenstein o.D. Seidwitz, Tiefental bei Creußen, Altenkünsberg, Unter- und Oberölschnitz, Troschenreuth, Hörhof/ Hagenohe bei Creußen, Ützdorf bei Weidenberg, Kasendorf, Mussen bei Münchberg, Wonsees, Güter bei Pegnitz, Gutenbiegen bei Waischenfeld.

    Friedrichs Sohn Johann II. setzte die bewährte Politik seines Vaters beharrlich fort. Genau wie dieser stand er in engem Verhältnis zum Kaiser, und er arbeitete ebenso konsequent am Ausbau des zollerischen Territoriums. Besonderes Augenmerk richtete Johann auf die Erweiterung des Bayreuther Kerngebiets und auf eine Verfestigung der dortigen Herrschaftsstruktur. Lang ist die Liste seiner Neuerwerbungen im Obermainland:

    1333 die Jagd auf dem Gebirg zwischen Waischenfeld und Creußen
    1338 Trebgast, Grafendobrach, Priemershof bei Kulmbach
    1338/40 Plassenburg, Kulmbach, Berneck
    1339 Weißenstein, Weidenberg
    1341 Nemmersdorf, Brehmermühle bei Bayreuth, Hohenbrunn, Schönbrunn
    1342 Aufseß, Freienfels, Goldeck
    1343 Guttenberg, Untersteinach
    1347 Floß, Parkstein, Weiden
    1348 Weißenstadt und zugehörige Dörfer
    1349 Rabenstein, Betzenstein, Spitzeichen, Windischenhaig, Mistelbach
    1350 Schwingen
    1351 die Elsterberger Besitzungen, Schönficht
    1352 Laubersreuth, Merbotengrune, Ölschnitz, Erharczreuth, Lichsperg bei Wunsiedel, Epprechtstein, Posseck, Quellenreuth
    1353 Rabeneck, Culmberg bei Gesees
    1355/58 Mussen, Kasendorf, Wonsees
    1357 Schauenstein, Kainach
    1359 Kleinziegenfeld
    1360 Birnstengel, Bergnersgrün, Haidlas, Schamlesberg, Mangoltzgruen, Geythof, Metzlersreuth, Hermersreuth, Hornungsreuth o.D. Niederreuthbach, Rudolphstein bei Wunsiedel, Gnandorf, Chuteldorf, Niusezze, Preissen, Anspruch auf Langheimische Güter

    Für die Zeit bis zu Johanns Tod im Jahr 1357 läßt sich also im Bayreuther Kern ein erheblicher Machtzuwachs feststellen. Das Burggraftum als Ganzes hat unter Johann II. weitgehende Homogenität erlangt und ist in territorialer und politischer Hinsicht zu einem auch auf Reichsebene wichtigen Faktor geworden. In der Region übt der gewachsene zollerische Machtbereich auf die kleineren, noch unabhängigen Besitzungen eine kraftvolle Magnetwirkung aus; viele kleinere Adelige können ihre Eigenständigkeit nicht mehr gegen die konzentrierte Territorialgewalt behaupten und werden in Form von Lehensauftragungen, Öffnungsverträgen oder dem Eingehen von Dienstmannenverhältnissen geschluckt. Dies gilt v.a. für etliche obermainische Geschlechter wie z.B. die von Aufseß (1342 und 1349), von Guttenberg (1343), Schaumberg (1349), Giech (1350), Rabenstein (1353), Stein (1354), oder Wolfstrigel (1357). Unter Johanns Sohn Friedrich V. geht die zollerische Expansion ungebrochen weiter. Leider stehen uns für die Zeit nach 1357 bzw. 1361 nicht mehr die detaillierten Erwerbslisten von Schwammberger zur Verfügung; wir müssen uns nun an die Monumenta Zollerana direkt halten. Danach verbucht Friedrich folgende Zugewinne im oberfränkischen Raum:

    1364 Haag , ein Teil der Veste Aufseß
    1369 Laubersreuth , Oelschnitz, Querenbach , Schloß Göppmannsbühl , Meyerhof, Almbranz ,
    1370 Buchbach, Spielberg
    1372/73 Veste Haag, Niederau, Seitendorf ,
    1373 Veste Oppenroth, Münchberg mit dabeiliegenden Dörfern , Hof und das Regnitzland
    1374 Weißdorf , Ahornberg, Jehsen , ein Teil der Vesten Auseß und Freienfels ,
    1376 alle Einkünfte von Nemmersdorf
    1377 der Zehnt zu Grafendobrach , Veste Ziegenfeld
    1378 Veste Hain
    1379 Veste Giech
    1385 Schloß Voigtsberg, Oelschnitz, Adorf , Güter in Neustadt/Kulm und Mockersdorf
    1386 ein Teil der Veste Schauenstein mit dabeiliegenden Dörfern, darunter Helmbrechts, Selbitz und Dürrengrün

    Insgesamt läßt sich anhand der Entwicklung im Obermainland die burggräfliche Erwerbspolitik gut charakterisieren. Erster Schritt ist immer die Gewinnung von Brückenköpfen zum Ausbau und zur Erweiterung des Territoriums. Typisch also der Erwerb von Creußen, Bayreuth, und später dem Regnitzland als Ausgangspunkt aller weiteren Aktivitäten. Seit dem sicheren Besitz von Bayreuth als Stützpunkt ging dann auch die Erweiterung des obermainischen Territoriums in riesigen und gleichmäßigen Schritten voran. Ein weiteres wesentliches Mittel zur Ausdehnung zollerischer Macht ist die Heiratspolitik. Auch die Eheschließung Friedrichs III. mit Elisabeth von Meran dürfte territorialpolitisch motiviert gewesen zu sein: Wir können mit Plank mutmaßen, daß die schwache Konstitution des letzten Meranierherzogs seinen Zeitgenossen nicht verborgen geblieben war , und daß man im Hause Zollern mit der meranischen Ehe nicht nur die äußere Stellung unter den Reichsfürsten festigen, sondern auch eine Anwartschaft auf die fränkischen Besitzungen der Andechser sichern wollte. Nach Eintreten des Erbfalls und der Teidigung im Langenstädter Vertrag, laut welcher sich die Zollern die Meraniergüter am Obermain mit den Orlamünder Grafen teilen mußten, baute Friedrich III. nicht nur das Bayreuther Gebiet konsequent aus, sondern versuchte darüber hinaus, in den Orlamünder Bereich vorzustoßen. Gerade in diesem Gebiet offenbart sich beispielhaft ein weiteres Charakteristikum der zollerischen Territorialpolitik: die Zähigkeit, mit der erwerbspolitische Ziele auch langfristig verfolgt werden. Wichtiger Faktor hierbei ist die Einheitlichkeit der Bestrebungen über Generationen hinweg. Es gibt praktisch keine politischen Einschnitte bei den Regierungsübergängen; Ziel und Taktik werden jeweils von den Vätern an die Söhne weitergegeben. So werden Güter, die der einen Generation entgangen sind, immer wieder zu gewinnen versucht. Der Erwerb der Herrschaft Plassenberg läßt sich als Beispiel für diese Strategie anführen: Der erste zollerische Zugriff auf Teile der bayreuther Nachbarherrschaft fällt noch ins Jahr 1290, als Friedrich III. dem Grafen Hermann von Orlamünde die Burg Zwernitz und Güter in Weikersdorf um 400 Mark Silber abkauft. Daß die burggräflichen Absichten zu diesem frühen Zeitpunkt schon viel weitreichender sind, zeigt sich darin, daß der Burggraf als Pfand für die spätere Einwilligung des jüngeren Orlamünder Bruders nichts geringeres als Kulmbach und die Plassenburg nimmt - mit dieser Transaktion streckt Friedrich schon jetzt indirekt seine Hände nach dem Herzen der Herrschaft Plassenberg aus. Doch für diesmal muß der Burggraf seine Wünsche noch zurückstecken; Otto von Orlamünde erkennt den Verkauf von Zwernitz an und die Pfandsetzung wird damit hinfällig. Erst knapp vierzig Jahre später, nachdem die Zollern mit ihren Erwerbungen im Obermainland die Orlamünder Herrschaft förmlich eingekreist haben, bietet sich eine neue Chance, nicht nur das Zentrum des Zweimainlands, sondern darüber hinaus die gesamte Herrschaft Plassenberg dem zollerischen Gebietskomplex einzugliedern: Als die finanziell angeschlagenen Orlamünder Johann II. um eine Anleihe von 4000 Pfund Haller ersuchen, verlangt der Zoller nicht allein zum zweiten Mal die Stadt Kulmbach als Sicherheit, sondern es kommt anläßlich dieser Kreditaufnahme zum Abschluß des Erbvertrags über die gesamte Herrschaft Plassenberg für den Fall, daß das Orlamünder Paar söhnelos stirbt. Im Jahr 1340 schließlich kann Johann zu Ende bringen, was bereits sein Vater geplant hatte: die Komplettierung und Abrundung des obermainischen Territoriums mittels Eingliederung der Herrschaft Plassenberg als inzwischen letztem fehlenden Baustein.

    Nach der Integration des Orlamünder Güterkomplexes wurde im Hausvertrag des Jahres 1341 zum ersten Mal die Gesamtheit der zollerischen Besitzungen im heutigen Oberfranken als obergebirgischer Landesteil von der untergebirgischen Gütermasse abgesondert, die sich aus zwei Komponenten, nämlich dem Unterland um Neustadt/Aisch und dem sich im Osten daran anschließenden mittelfränkischen Niederland, zusammensetzte. Mit der groben Zweiteilung wurde der höchst eigenwilligen naturräumlichen Tatsache Rechnung getragen, daß die Burggrafschaft im wesentlichen aus zwei unverbundenen Landkomplexen bestand, zusammen ca. 1340 qkm groß, die durch den Höhengürtel der Fränkischen Schweiz getrennt waren und zwischen denen geographisch wie ein Keil das Gebiet der Reichsstadt Nürnberg bzw. des Bistums Bamberg lag. Dabei unterscheidet sich das nunmehrige Oberland oder Land ob dem Gebirg strukturell ganz wesentlich von dem Landesteil unterhalb des Gebirgs. Es ist bei weitem nicht so stark durch fremdherrschaftliche Gebietseinsprengsel zerrissen wie das Niederland. Der Grund dafür liegt in seiner andersartigen historischen Entwicklung. Schon die zumeist erst in der Ausbauperiode des 12. und 13. Jhds. entstandenen alten Rodungsherrschaften wiesen eine hohe äußerliche und rechtliche Geschlossenheit auf - sie kamen gleichsam als bereits vorgeformte Territorien an die Zollern. Diese Homogenität, die Bevogtung der Klöster, die enge Bindung der Dienstmannschaft an den Landesherrn , die feste Einflechtung neuer Gebietsteile und auch das Entstehen einer gut funktionierenden Verwaltung machten das Oberland anders als die untergebirgischen Landesteile, wo Gerechtsame um Gerechtsame, Dorf um Dorf, Burg um Burg einzeln hatten erworben werden müssen, zu einem vergleichsweise einheitlichen Territorium, das deutlich die Züge des institutionellen fürstlichen Flächenstaats auf mittel- und ost-deutschem Siedlungsboden trug.

    Auszug aus der Dissertation von Frau Dr. Sabine Weigand-Karg

    Anmerkung: Bemerkenswert ist der Hinweis auf die Erwerbungen von Friedrich IV um 1318 deshalb, da dies die erste ursprüngliche Erwähnung Leupoldsgrün wäre und damit vor dem heute als “Gründungsdatum” genannten Datum 1335.

     

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